Diskriminierung, Misshandlung, Schuften für wenig Geld. Arbeitsrechtsorganisation China Labor Watch hat die Bedingungen beim Applelieferanten Pagatron untersucht (wie gemeldet). In Cupertino beschönigt man nichts, doch die Antwort ist mehr PR als Realität: “Apple ist um sichere und faire Arbeitsbedingungen in der gesamten Lieferkette bemüht.” Die Wahrheit aber dürfte Apple weniger gefallen “Pegatron ist noch schlimmer als Foxconn”.
Wir haben das 60-seitige Dokument durchforstet und sagen, was die Mitarbeiter beim Lieferanten Pegatron wirklich durchmachen müssen.
Undercover in den Fabriken.
Die Nichtregierungsorganisation China Labor Watch hatte zwischen März und Juli 2013 diverse Informanten undercover in drei Fabriken von Pegatron eingeschleust. Die Standorte in Shanghai und Riteng sind für die Produktion von Handy- und Computer-Bauteilen für Apple zuständig. Diese beiden Fabriken sollen aktuell auch das Billig-iPhone auf dem Fließband haben. Der dritte Ableger, AVY, fertigt für Nokia, Panasonic, HP, Dell, Asus, Acer und Sony, aber produziert auch iPad-Bauteile. Die Informanten haben sich ausschließlich auf die Herstellung für Apple konzentriert. Darüber hinaus bezieht CLW seine Informationen aus über 200 Interviews mit Mitarbeitern der Werke.
Es beginnt bei der Bewerbung.
Bereits vom ersten Tag an herrschen strikte Auflagen. Diskriminierende Regeln hängen aus, die schon bei der Bewerbung Personengruppen kategorisch ausschließen:
- Arbeiter aus bestimmten Religionen (Hui, Tibetans, Uighurs)
- Arbeiter kleiner als 1,5 Meter
- Arbeiter älter als 35
- Schwangere Frauen
Darüber hinaus ist es den Angestellten verboten, farbige Haare oder eine außergewöhnliche Frisur zu besitzen. Auch Tattoos sind strengstens untersagt. Für die Kontrolle müssen sich Bewerber in der Kantine vor allen Arbeitern entblößen. Öffentliche Bloßstellung dient hier als Erziehungsmaßnahme. Regelmäßige Tattoo-Checks gibt es auch.
Überstunden und Lohn.
Apple schreibt 60 Stunden die Woche vor. Doch die Realität sieht anders aus: Über 20 zusätzliche Überstunden machen Arbeiter pro Woche und das unbezahlt. Die Arbeiter werden dazu angehalten, nicht auf die Uhr zu schauen und Stunden zu zählen. Es werden lediglich die 60 vorgeschriebenen Stunden vergütet. Der Lohn liegt bei mageren 1,50 Dollar pro Stunde, was weit unter dem Standard liegt und kaum zum Leben reicht. In der iPad-Produktion gilt sogar die Regel, dass jeder einzelne 600 Rückseiten bearbeiten muss. Schafft er das nicht und reichen auch Überstunden dazu nicht, riskiert er die Auszahlung des Lohns.
Kinderarbeit.
Kinder unter 18 Jahre schuften bei Pegatron mit. Allerdings bekommen sie nicht, wie vorgeschrieben, eine Extra-Behandlung, sondern müssen genau wie Erwachsene arbeiten. Mit dem gleichen Pensum, mit gleicher Intensität. CLW schreibt dazu:
There are underage employees. Workers under the age of 18 do the same amount of work as adult workers and receive no special protection. A 17-year-old employee working on the same assembly line as the investigator had the same working schedule as other operators on the assembly line, which is 10.5 hours per day. After work, he usually has a late night meal at a night market, catches the company shuttle back to his dorm, takes a shower, does his laundry, and then lies in bed, surfing on the Internet with his cellphone. This is clearly in violation of Chinese regulations that require special protection for underage workers.
Lebensbedingungen.
Neben den Arbeitsbedingungen muten auch die Lebenskonditionen negativ an. In überfüllten Räumen mit bis zu 12 Arbeitern, sucht man Privatsphäre vergeblich. In jedem Flur teilen sich über 144 Angestellte ein Bad mit Duschraum, WCs und Waschbecken. Das Wasser ist kalt. Doch viel Zeit bleibt sowieso nicht – die Mitarbeiter müssen von früh bis abends arbeiten.
In den Pausen steht zwar eine saubere Cafeteria mit zwei Mahlzeiten pro Schicht zur Verfügung, doch auch hier muss gehetzt werden, um das tägliche Pensum zu schaffen. Richtige Ruhepausen? Fehlanzeige.
Ein Tag bei Pegatron.
Sehr spannend ist die detaillierte Beschreibung eines Undercover-Mitarbeiters von seinem Tag bei Pegatron. Mit wenigen Englisch-Kenntnissen kann der Beitrag auf Seite 27 gelesen werden.
Besserung angekündigt.
China Labor Watch kommt zu dem ernüchternden Ergebnis: “die Arbeitsbedingungen in Pegatron-Fabriken sind schlimmer als die in den Foxconn-Werken”. Für Apple ein Schlag ins Gesicht. Man erfülle seine eigenen Standards nicht. Doch auch Pegatron muss sich dreimal mehr an die eigene Nase fassen. Dort habe man die Kritik in Kenntnis genommen und Besserung proklamiert. Bei Apple heißt es: “Sollten unsere Untersuchungen ergeben, dass die Arbeiter nicht ausreichend bezahlt wurden oder Entlohnung für geleistete Arbeit abgelehnt wurde, fordern wir, dass Pegatron die Arbeiter voll entschädigt”. Man kann es nur hoffen.